Erbe der Monarchie: Das Nachleben der Institution in der deutschen Politik und Gesellschaft nach 1918

Erbe der Monarchie: Das Nachleben der Institution in der deutschen Politik und Gesellschaft nach 1918

Organisatoren
Thomas Biskup, History Dep., University of Hull/GB; Martin Kohlrausch, Deutsches Historisches Institut Warschau
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.03.2007 - 31.03.2007
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Von
Henning Holsten, Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin

Braucht eine Demokratie Schlösser? Die aktuellen Debatten um den geplanten Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und das rekonstruierte Welfenschloss in Braunschweig zeigen, dass die Hinterlassenschaften monarchischer Herrschaft auch ein knappes Jahrhundert nach ihrem politischen Untergang in Deutschland noch weitaus lebendiger sind, als man noch vor 20 Jahren hätte vermuten können. Wohl kaum jemand hätte vor dem Zusammenbruch der DDR mit der „Wiederauferstehung“ dieser Ruinen gerechnet – zumal die genannten Residenzen nicht (nur) das Opfer alliierten Bombardements wurden, sondern erst Jahre nach Kriegsende zerstört worden waren. Was damals als symbolpolitischer Bruch mit den obrigkeitsstaatlichen Traditionen in der deutschen Geschichte inszeniert worden war, gilt heute vielen als ein bloßer Akt städtebaulicher „Barbarei“. Doch lässt die gegenwärtige, von Denkmalpflegern heftig beklagte „Rekonstruktionswelle“ 1 dynastischer Bauten umgekehrt auf einen „republikanischen Misstand“ schließen, wie es die Braunschweiger Architekturhistorikerin Karin Wilhelm nahelegt, die von einem Wiederaufleben „feudal-aristokratischer Positionen“ und einem Mangel an bürgergesellschaftlichem Selbstbewusstsein spricht? 2 Deutet nicht auch die Vielzahl eher nostalgischer als kritischer Publikationen und Fernsehsendungen zu den ehemaligen deutschen Dynastien auf ein weit verbreitetes gesellschaftliches Bedürfnis nach Glanz und Größe vergangener Zeiten?

Um diese Fragen nach dem problematischen „Nachleben“ der deutschen Monarchien nicht allein den Medienschaffenden und Denkmalpflegern zu überlassen und ihnen mehr geschichtliche Tiefenschärfe zu verleihen, trafen sich Ende März Historikerinnen und Historiker aus Deutschland, Großbritannien und den USA zu einer zweitägigen Tagung in Potsdam. Organisiert wurde das Treffen meist jüngerer Wissenschaftler von Thomas BISKUP (University of Hull) und Martin KOHLRAUSCH (DHI Warschau), mit tatkräftiger Unterstützung von Monika WIENFORT und Leonhard HOROWSKi (beide TU Berlin). Zu den Förderern zählte neben der Stiftung Preußische Seehandlung und der Gerda-Henkel-Stiftung auch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), die mit dem am nordöstlichen Rand von Park Sanssouci gelegenen Schloss Lindstedt einen passenden Tagungsort zur Verfügung stellte.

In ihren Einleitungsvorträgen stellten die Veranstalter heraus, dass sich die Tagung thematisch auf wenig erkundetem Boden bewegt. Martin KOHLRAUSCH zeichnete zunächst die Entwicklung der Forschungsdiskussion seit der Revolution von 1918 nach. Demnach war die geschichtswissenschaftliche Reflektion über das „Ende der monarchischen Welt“ (Meinecke) in der Weimarer Republik durch die weit verbreiteten „herzensmonarchistischen“ Neigungen der Historikerzunft blockiert und durch die Kriegsschuldfrage überlagert, im Nationalsozialismus fast gänzlich unterdrückt und nach einer kurzen Renaissance während der 1950er Jahre durch den Siegeszug der Bielefelder Sozialgeschichte im Grunde bis in die 1990erJahre an den Rand des Forschungsinteresses gedrückt. Erst die Anregung kulturwissenschaftlicher Studien, namentlich zur englischen Monarchie, führte dann zu einer erneuten intensiven Auseinandersetzung insbesondere mit Formen des Herrschaftskultes und medialen Aspekten der deutschen Monarchien. Dabei sei vor allem ihre potentielle Modernität und Wandlungsfähigkeit herausgestellt worden, was ein Weiterleben monarchisch geprägter kultureller Mentalitäten, politischer Erwartungen und gesellschaftlicher Bedürfnisse auch über 1918 hinaus vermuten lasse. Einen weitgesteckten analytischen Rahmen für die Untersuchung solcher „versteckten Kontinuitäten“ entwarf anschließend Thomas BISKUP. Der Begriff des „Erbes“ der Monarchie diene dem doppelten Zweck, sowohl die „Mechanismen der Überlieferung“ zu untersuchen als auch die „Begrifflichkeit der Hinterlassenschaft“ zu reflektieren. Zur Vermeidung eines Rückfalls in genealogische Geschichtsmuster biete sich am ehesten der Begriff des „Reliktes“ an, um das Nachleben der Monarchie in der deutschen Politik und Gesellschaft zu analysieren. Die von Biskup eingeforderte systematische Unterscheidung von „institutionellen“ und „materiellen“ Aspekten des Umgangs mit den monarchischen Hinterlassenschaften wurde allerdings nur von den wenigsten Referenten aufgegriffen, aber in der Abschlussdiskussion noch einmal reflektiert.

Die erste Sektion befasste sich zunächst mit der Verankerung und Umformung der Monarchie in der modernen Gesellschaft. Leonhard HOROWSKI demonstrierte am Beispiel Frankreichs die erstaunliche Wandlungsfähigkeit der monarchischen Staatsform in der Reaktion auf Revolution und Nationalismus. Frankreich war demnach im 19. Jahrhundert ein wichtiges Experimentierfeld des europäischen Monarchismus und lieferte mit Bürgerkönigtum und Bonapartismus neue Modelle der Transformierung traditioneller dynastischer Herrschaft. Wie sich aus dem Widerstand gegen die gewaltsame Absetzung einer regierenden durch eine konkurrierende Dynastie sogar eine volkstümliche Oppositionsbewegung entwickeln konnte, beschrieb Dieter BROSIUS (Hannover) in seiner Untersuchung der antipreußischen Welfenpartei, die sich nach 1866 noch Jahrzehnte lang für die Rückkehr ihres „angestammten Herrscherhauses“ einsetzte. Kommentator Volker BAUER (Wolfenbüttel) wies in diesem Zusammenhang auf die Funktion des Reichstages hin, der durch die parlamentarische Entschärfung dynastischer Konflikte die nationalstaatliche Integration derartiger symbolisch-kultureller Widerstandsformen vorantrieb.

Mit exilierten Herrschern befasste sich auch der Vortrag von Heidi MEHRKENS (Braunschweig), die am Beispiel Napoleons III. und des braunschweigischen Herzogs Karl II. veranschaulichte, wie dehnbar das monarchische Legitimitätsprinzip insbesondere von Preußen gehandhabt wurde, sobald es um realpolitische Großmachtinteressen ging. Eine ganz andere, weniger bekannte Seite der preußischen Monarchie beleuchtete Eva GILOI (Rutgers) mit ihrer Untersuchung von Untertanengeschenken als Kommunikationsmedien. Die seit 1876 massenhaft übersandten Kornblumenbouquets an Kaiser Wilhelm I. symbolisieren demnach in Verbindung mit dem Luisenmythos die „weiche“ Seite des preußischen Militärstaates, seine Verletzlichkeit und moralische Unschuld, die auch unkriegerischen Bürgerinnen und Bürgern eine emotionale Bindung an die Hohenzollerndynastie ermöglichte. In seinem Kommentar verwies Frank L. MÜLLER (St. Andrews) auf die im 19. Jahrhundert zunehmende Trennung von Person und Amt des Monarchen, die auf der einen Seite die emotionale Anteilnahme an seinem Schicksal „als Mensch“, auf der anderen Seite aber auch seine realpolitische Austauschbarkeit im Falle unwürdiger Amtsführung beförderte. Bürgerliches Leistungsprinzip und Familienideal wurden dadurch zu maßgeblichen Wertmaßstäben auch der monarchischen Herrschaftslegitimation.

Die zweite Sektion fragte am Nachmittag nach der Bedeutung der Zäsur von 1918 vor dem Hintergrund langfristiger Transformationsprozesse monarchischer Herrschaft. Die Frage nach Kontinuität oder Diskontinuität wurde zunächst anhand des Umgangs mit den materiellen Relikten der „ehemals regierenden Häuser“ in der Weimarer Republik diskutiert. Jürgen LUH (SPSG Berlin-Potsdam) beschrieb die Wiedereröffnung des Hohenzollernmuseums im Schloss Monbijou 1927 als einen Akt entpolitisierender Umdeutung des dynastischen Erbes: aus einem Propagandainstrument borussischer Sinnstiftung wurde eine vorgeblich ideologiefreie Dokumentation der künstlerischen und kunsthandwerklichen Entwicklung in Brandenburg-Preußen. Diesen Prozess der Musealisierung monarchischer Repräsentationsformen verfolgte anschließend Marc SCHALENBERG (Zürich) anhand der Umnutzung fürstlicher Residenzen in Berlin, München und Dresden. Zwar bedeutete die Verstaatlichung nach 1918 einen markanten Bruch, doch lasse sich die Tendenz zur Umwandlung der herrschaftlichen Schlösser in öffentliche Museen bis weit ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Anknüpfend an diese Befunde der Entpolitisierung, Ornamentalisierung und Selbsthistorisierung der Monarchie konstatierte Jörn LEONHARD (Freiburg) in seinem Kommentar eine schleichende Erosion des dynastischen Charismas. 1918 hätten die Monarchen dann ihre bereits schwindende kulturelle Hegemonie endgültig verloren und seien von agierenden Subjekten zu bloßen Objekten kultureller Deutungen herabgestuft worden.

Die von Leonhard dringend angemahnte Berücksichtigung von Deutungskonflikten zwischen widerstreitenden Gruppen und Interessen (dynastischer oder parteipolitischer Art) im Kampf um die Instrumentalisierung des oftmals umstrittenen monarchischen Erbes wurde zumindest teilweise von den beiden folgenden Beiträgen eingelöst, die sich mit den Medien und Mechanismen der öffentlichen Selbstinszenierung des Hauses Hohenzollern beschäftigten. Daniel SCHÖNPFLUG (FU Berlin) untersuchte am Beispiel von sechs Hohenzollernhochzeiten zwischen 1858 und 1933 die Zusammenhänge zwischen Gefühlsdiskursen, politischer Inszenierung und öffentlicher Rezeption der Monarchie. Die intensive emotionale Anteilnahme der Zuschauer und das breite Medienecho der pompösen Hochzeitsfeierlichkeiten trugen demnach erheblich zur Popularisierung der Hohenzollerndynastie bei. Auch wenn sich bereits kurz vor dem Weltkrieg die kritischen Stimmen aus dem linken Spektrum mehrten, so hinterließ der nach 1918 weitgehend verblasste „Liebeszauber“ der Monarchie doch eine „symbolische Leerstelle“ im öffentlichen Raum der Weimarer Republik, die dann vom Nationalsozialismus neu besetzt werden konnte. Deutlich wurde der konfliktträchtige Umgang der Republik mit dem kulturellen Erbe monarchischer Herrschaftsinszenierung auch im Beitrag von Dominik PETZOLD (LMU München), der sich der Darstellung Wilhelms II. im neuen Medium der Kinematographie widmete. Als erster Filmstar des deutschen Kinos wussten Kaiser und Hof die propagandistischen Möglichkeiten des Films so geschickt zu nutzen, dass die Reichsregierung nach 1918 die Ausstrahlung von Aufnahmen Wilhelms II. gesetzlich untersagte. Kommentator Dominik GEPPERT (FU Berlin) verwies auf die neuartige „Symbiose von Macht und Massenkultur, von Politik und Entertainment, von Herz und Auge“ im Gefolge der „Medienrevolution“ um die Jahrhundertwende. Ob das symbolische Kapital der Hohenzollern durch diese Anpassung an die Bedürfnisse der politischen und kommerziellen Massenmarktes letztendlich vermehrt oder verspielt wurde, darüber konnte in der anschließenden Diskussion zunächst keine Einigung erzielt werden.

Die dritte Sektion stand im Zeichen der Suche nach den Spuren der Monarchie in Politik, Staatsrecht und Gesellschaft nach 1918. Arne HOFMANN (LSE London) fragte zunächst nach der politischen Bedeutung und Funktion der monarchistischen Bewegung in der Weimarer Republik. Der weitgehenden realpolitischen Ohnmacht der Monarchisten „im engeren Sinne“, die sich etwa um das Fähnlein des Bundes der Aufrechten scharrten, stellte er die republikfeindlichen ideologischen Dispositionen der sehr viel zahlreicheren Monarchisten „im weiteren Sinne“ gegenüber. Tiefsitzende Modernisierungsängste, die Sehnsucht nach einer „Wiederverzauberung der Welt“ und nach einem neuen Führer kennzeichneten eine politische Erwartungshaltung, die als Brücke zum Nationalsozialismus fatale Folgen für das Schicksal der Republik hatte. Demgegenüber betonte Monika WIENFORT den weitgehend unpolitischen Charakter monarchistischer Nostalgie nach 1945, wie sie sich anlässlich der Inthronisationsfeiern Balduins von Belgien und der englischen Königin Elisabeth in der deutschen Presse äußerte. Die emotionale Anteilnahme der deutschen Öffentlichkeit an diesen internationalen Medienereignissen ließ keine Anzeichen der Sehnsucht nach einer politischen Restauration erkennen. Vielmehr war das Erbe der Monarchie, so Wienforts weitgesteckte These, über die nationalen Grenzen hinweg zum abendländisch-kulturellen Gemeinbesitz geworden. Angesichts einer solchen Substitution des national-dynastischen Gefühls durch ein europäisches stellte Rüdiger GRAF (Göttingen) in seinem Kommentar die Frage, ob es sich hier überhaupt noch um ein politisches Phänomen handele oder nicht einfach um ein besonders medienwirksames Beispiel von Prominentenkult.

Ähnlich stellte sich die Frage nach der realpolitischen Bedeutung von medialen Zuschreibungen auch in der Diskussion um die Rolle des Bundespräsidenten. Macht es Sinn, von den Bundespräsidenten wie Heuss oder Lübke als „republikanischen Wahl-Monarchen“ zu sprechen, ähnlich wie man Ebert und Hindenburg als „Ersatzkaiser“ (Eschenburg) bezeichnet hat? Tobias KIES (Bielefeld) trug in seiner vielschichtigen Untersuchung des Funktionswandels des höchsten deutschen Staatsamtes von „Papa“ Heuss bis „König Silberlocke“ von Weizäcker zahlreiche Belege für „monarchische Relikte“ in der staatsrechtlichen Stellung des Bundespräsidenten, Erwartungshaltungen der Bevölkerung und satirischen Darstellungen der Amtsinhaber in Pressekarikaturen zusammen. Christoph SCHÖNBERGER (Konstanz) konzentrierte sich in seiner Analyse des monarchischen Erbes im bundesrepublikanischen Grundgesetz hingegen auf die staatsrechtlichen Debatten der unmittelbaren Nachkriegszeit, wobei er konstitutionell-monarchistische Bezüge weniger in der Konzeption des Bundespräsidentenamtes als in den (gescheiterten) Plänen zur Einsetzung von Staatspräsidenten in einzelnen Bundesländern ausfindig machte. Insgesamt, so resümierte Jens HACKE (HU Berlin) abschließend, seien die Kontinuitätslinien vom Kaiserreich zur Bundesrepublik in der Staatsoberhauptsfrage doch sehr brüchig; unmittelbare Bezüge wurden (meist negativ) eher zu den Weimarer Reichspräsidenten als zu den konstitutionellen Monarchen des 19. Jahrhunderts hergestellt.

Die folgende Abschlussdiskussion wurde von Christopher CLARK (Cambridge) eröffnet, der sich noch einmal der Frage von Kontinuität und Diskontinuität monarchischer Traditionen in der deutschen Geschichte widmete. Das Beispiel des Hohenzollernmuseums habe gezeigt, dass „dasselbe später nicht mehr das gleiche“ sei. Die in vielen Beiträgen herausgestellte Funktion der Könige als Projektionsflächen von Massenfantasien habe sich für die Anhänger der Monarchie als ein zweischneidiges Schwert erwiesen, denn sowohl der für und von den Massenmedien inszenierte „Liebeszauber“ als auch der von der radikalen Rechten postulierte Führergedanke konnte sowohl zur Legitimation wie zur Kritik dynastischer Herrschaft instrumentalisiert werden. Letztlich hätte deshalb, wie Clark mit Hinweis auf das britische Vorbild erklärte, nur eine konsequente Entpolitisierung die preußische Monarchie retten können. Auch WIENFORT betonte in ihrem Abschlussbeitrag, dass die Geschichte der Monarchie in Deutschland immer auch eine Geschichte ihres Scheiterns sei. Mit Blick auf die zehn noch immer existierenden Monarchien in Europa könne man deshalb sogar von einem „deutschen Sonderweg“ sprechen. Dies setze allerdings eine konsequent vergleichende Perspektive voraus.

Der vielfach geäußerten Aufforderung zum europäischen Vergleich begegnete der Mitveranstalter KOHLRAUSCh mit dem Hinweis, man könne in einem neuen Forschungsfeld den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen, und verwies auf die vielen verbleibenden weißen Flecken innerhalb der Geschichte des deutschen Umgangs mit dem monarchischen Erbe, namentlich den auf der Tagung kaum angesprochenen Sonderfall der DDR-Rezeption. Mit Blick auf die von BISKUP nochmals angemahnte Reflektion der Begrifflichkeit von Erbe-Relikt-Hinterlassenschaft sprach MÜLLER pointiert von der „Konkursmasse der Monarchie“, die nach 1918 nicht vererbt, sondern schlicht verstaatlicht oder verscherbelt wurde und noch heute den Kernbestand vieler deutscher Kulturinstitutionen bildet. Schwerer auf den Begriff zu bringen blieb das Problem des politisch-institutionellen Nachlebens der Monarchie in der heutigen demokratischen Staatsordnung. Mit Hinweis auf die jüngsten Debatten um Bundespräsident Köhler betonte SCHÖNBERGER noch einmal, dass einer aktiveren politischen Rolle des Bundespräsidenten im Sinne eines integrierenden Staatsrepräsentanten „über den Parteien“ verfassungsrechtlich wenig entgegenstünde. Es blieb jedoch umstritten, ob man in einem solchen Fall tatsächlich von einem Wiederanknüpfen an monarchische Traditionen sprechen könnte.

Die Potsdamer Tagung hat in zahlreichen Facetten das Nachleben der Monarchie über ihren Untergang als Staatsform hinaus erstmals systematisch beleuchtet. Sichtbar wurde mit der Fortschreibung politisch-kultureller Entwicklungslinien des „langen“ 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart das Potential dieses Ansatzes für die Erklärung grundlegender Probleme des 20. Jahrhunderts, die bisher nicht unmittelbar mit der Monarchie in Verbindung gebracht wurden. Insgesamt zeigte sich dabei in vielen Fällen, dass mit dem Begriff des „Erbes“ allein der äußerst komplexe, durch zwei verlorene Weltkriege und vier politische Systemumwälzungen gebrochene Wandlungsprozess monarchischer Mentalitäten und Institutionen in Deutschland nur schwierig zu fassen ist. Hier wäre eine weitere Präzisierung und Differenzierung von häufig synonym verwendeten Kategorien wie „Nachleben“, „Relikt“ und „Hinterlassenschaft“ wünschenswert. Auch thematisch bleibt noch so manche Lücke zu schließen – insbesondere was die Zeit des Nationalsozialismus und die DDR angeht. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass die Veranstalter über die Tagung und die beabsichtigte Veröffentlichung der Beiträge in einem Sammelband hinaus zur weiteren Erforschung eines überaus lohnenden, bisher noch kaum erkundeten Terrains der jüngeren und jüngsten deutschen Geschichte auffordern.

Hierbei wäre nach Auffassung des Verfassers noch stärker die Konfliktdimension der Tradierung des monarchischen Erbes zu beachten. Die Geschichte dieses Erbes war immer auch die Geschichte des Streits um das Erbe – sei es nun politisch zwischen konkurrierenden Dynastien oder feindlichen Weltanschauungsparteien, oder gesellschaftlich zwischen divergierenden sozialen, kulturpolitischen und kommerziellen Interessen. Die konkreten Akteure dieses Streits in den entscheidenden historischen Umbruchphasen kenntlich zu machen, ihre Motive und die relevanten gesellschaftlichen Kräfte in den jeweiligen Konfliktsituationen herauszuarbeiten, wäre sicher eine viel versprechende Herangehensweise. 3 Dabei wäre die Monarchie nicht nur als politisch-kultureller Erblasser, sondern auch als Gegenspieler und Feindbild republikanischer, sozialistischer und faschistischer Bewegungen zu untersuchen. Denn gerade in den Weltbürgerkriegen des 20. Jahrhundert ging es ja oftmals weniger um die legitime Aneignung des monarchischen Erbes, als um seine gewaltsame Eroberung, Ausbeutung und sogar Vernichtung. Dem „Liebeszauber“ der Monarchie schlug von Seiten ihrer Gegner häufig blanker Hass entgegen.

Manifest werden diese „Erbstreitigkeiten“ unter anderem in der Geschichte der Errichtung, Umnutzung und Zerstörung der eingangs erwähnten Welfen- und Hohenzollern-Residenzen. In der Darstellung dieser Dimension des monarchischen Erbes läge vielleicht auch der genuine Beitrag der Historikerinnen und Historiker zu den aktuellen Schlossdebatten. Ihre Aufgabe wäre es, die Geschichte der politischen Kämpfe, militärischen Schlachten und gesellschaftlichen Konflikte vor den frisch „rekonstruierten“ Schlossfassaden wieder sichtbar zu machen. Ein interessanter Gegenstand für eine solche Geschichtsbetrachtung wäre beispielsweise das mehrfach erwähnte Hohenzollernmuseum, dessen geplanten „Wiederaufbau“ die Vertreter der SPGS in Schloss Lindstedt angekündigt haben.4

Anmerkungen
1 So der Befund des Symposiums „Denkmale nach unserem Bild? Zu Theorie und Kritik von Rekonstruktion“ am 31.3.2007 im Dessauer Bauhaus – siehe den Tagungsbericht von Ronald Berg in der taz vom 3.4.2007.
2 Siehe Braunschweigische Zeitung vom 28.4. und 4.5. 2007.
3 Leider fehlt bis heute eine Untersuchung des deutschen Antimonarchismus, wie für Großbritannien. Vgl.: Taylor, Antony, ‘Down with the Crown’, London 1999. Für die umstrittenen Kontinuitätslinien vom Kaiserreich zum Nationalsozialismus vgl.: Malinowski, Stephan, Vom König zum Führer, Berlin 2003, Kohlrausch, Martin, Der Monarch im Skandal, Berlin 2005; Petropolous, Jonathan, Royals and the Reich, Oxford 2006.
4 Über die Pläne, die erhalten gebliebenen Teile der Ausstellung im virtuellen Raum oder im Schloss Charlottenburg erneut zu präsentieren, informierte auf der Tagung Hartmut Dorgerloh (SPSG). Vgl.: Windt, Franziska; Luh, Jürgen; Dilba, Carsten (Hrsg.), Die Kaiser und die Macht der Medien, Berlin 2005.


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